Seniorpartnerprojekt zur Betreuung von Praktikanten

Ein Mentoring-Projekt von Universität und Praktikumsamt als unterfränkischer Modellversuch

Im Frühjahr 2008 trafen sich in der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Unterfranken sieben ehemalige Rektoren und Konrektoren unterfränkischer Realschulen. Sie wollten den Kontakt zur Schule noch nicht ganz abbrechen lassen und ihre langjährige Erfahrung und ihr umfangreiches Wissen nicht einfach „vergessen“, sondern weitergeben. In ihrer aktiven Dienstzeit hatten sie erlebt, dass ihre Lehrkräfte bei der Betreuung von Studierenden, die ein Praktikum an ihrer Schule ablegen mussten, die ihnen zugedachten Aufgaben wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes nahezu nicht erfüllen konnten. Es entstand die Idee als „Senior-Partner“ die Betreuung der schulischen Lehrkraft so zu ergänzen, dass die Schulleitungen und die schulischen Betreuer entlastet, gleichzeitig die Praktikanten aber intensiver mit den Erfordernissen des Lehrerberufes vertraut gemacht werden. Der damalige Ministerialbeauftragte, Johann Seitz, zeigte sich begeistert von der Idee und stellte das Projekt zusammen mit Frau PD Dr. Hoyer, der Geschäftsführerin der Zentralstelle für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZfL) der Universität Würzburg, im Kultusministerium vor. Dort war man sehr angetan von der Initiative und sah keine administrativen Schwierigkeiten die Überlegungen in die Tat umzusetzen.

In Absprache mit der Leiterin des Praktikumsamtes, BRin Yvonne Neumeier, entwarf der ehemalige Schulleiter der Ludwig-Derleth-Realschule Gerolzhofen, Wolfram Milde, einen Rahmenplan mit Möglichkeiten für eine solche Betreuung. Herr Seitz informierte in Dienstbesprechungen die unterfränkischen Schulleiter über das Projekt mit der Bitte, auch Kolleginnen und Kollegen ihrer Schule, die mit der Praktikumsbetreuung betraut gewesen sind und den aktiven Dienst verlassen haben, zu informieren. Nach weiteren Vorgesprächen begannen im September 2008 acht „Senior-PartnerInnen“ an 10 Schulen nach Absprache mit den jeweiligen Schulleitungen mit der Betreuung; zwei Kollegen übernahmen jeweils zwei Schulen. Inzwischen betreuen 11 Senior-Partner an ebenso vielen Schulen Praktikanten im Orientierungs- und im pädagogisch-didaktischen Praktikum.

Betreuung im Orientierungspraktikum

Um im Orientierungspraktikum wenigstens ansatzweise eine „erste Überprüfung der Eignung und Neigung für den angestrebten Beruf“ vornehmen zu können, kann es nicht ausreichen, dem Praktikanten einen Stundenplan in die Hand zu drücken und ihn ausschließlich hospitieren zu lassen nach dem Motto „Jetzt schaut mal, wie es in einer Schule zugeht.“ Daher findet neben den Hospitationen in der Mitte der Praktikumswoche ein weiteres Gespräch mit dem Senior-Partner statt mit Themen aus den folgenden Beispielen:

•  Anforderungen im Lehrerberuf

•  Aufgaben des Lehrers im Laufe eines Schuljahres

•  Stellung der Realschule im bayerischen Schulsystem

•  Aufbau der Realschule (Wahlpflichtfächergruppen)

•  Zweite Phase der Lehrerausbildung

•  Einsicht in ausgewählte Verordnungen (z.B. Aufsichtspflicht, Urheberrechte, Wandertage, Legasthenie)

•  auf Wunsch des Praktikanten auch Gespräch über Unterrichtsmethoden, wie sie bei Unterrichtsbesuchen erlebt worden sind.

Der Senior-Partner steht den Praktikanten während der Woche auf Wunsch zu Einzelgesprächen zur Verfügung. In einem Abschlussgespräch werden die Vorstellungen des Praktikanten mit der erlebten Realität während des Praktikums verglichen. Da der Praktikant den eigenen Schulbesuch gerade abgeschlossen und Schulerlebnisse noch gut in Erinnerung hat, bietet es sich an, im Praktikum erlebte schulische Begebenheiten aus der Sicht des Lehrers zu betrachten und Schüler- und Lehrerverhalten entsprechend zu analysieren.

Betreuung im pädagogisch-didaktischen Praktikum

In der für alle Praktikanten verpflichtenden Einführungsveranstaltung an der Universität Würzburg wirken Senior-Partner bei der Vorbereitung der Studenten auf das pädagogisch-didaktische Praktikum mit und erledigen dabei erste organisatorische Aufgaben, die sonst von der Schulleitung durchgeführt werden müssten (Verschwiegenheit nach LDO § 14, Belehrung über gesundheitliche Anforderungen und Mitwirkungspflicht nach dem Infektionsschutzgesetz, allgemeines Verhalten in der Schule, Erwartungen an Praktikanten).

Auch in verschiedenen Begleitveranstaltungen zum pädagogisch-didaktischen Praktikum referieren Senior-Partner zu verschiedenen Themen.

Die Praktikanten nehmen an der Eröffnungskonferenz des Schuljahres teil. In den ersten Tagen begleiten sie ihre von der Schulleitung bestimmten Betreuungslehrer und unterstützen diese bei Klassenleitertätigkeiten. Danach hospitieren sie in täglich wechselnden Klassen. Nach einer Woche schließen sich Hospitationen in ihren Studienfächern bei möglichst vielen Lehrkräften in möglichst vielen Jahrgangsstufen an. Schon jetzt sind erste Unterrichtsversuche möglich.

Im Stundenplan der Praktikanten sind Besprechungstermine mit dem Senior-Partner fest eingeplant. Für diese Gespräche haben sich im Laufe der bisherigen Projektdurchführung Themen ergeben, von denen einige auf ausdrücklichen Wunsch der Praktikanten eingeführt worden sind.

•  Aufbau und Vorbereitung einer Unterrichtsstunde

•  Übungen zur Tafelanschrift und zum Medieneinsatz

•  Verhalten bei Störungen im Unterricht

•  Erörterung verschiedener Unterrichtsstile

•  Möglichkeiten der Führung und Lenkung einer Klasse

•  Möglichkeiten der individuellen Förderung von Schülern

•  Gesundheitliche Anforderungen im Lehrerberuf

•  Erzieherische Wirksamkeit des Lehrers

•  Der Lehrplan der Realschule als Gesamtwerk

In Abstimmung mit dem schulischen Betreuer besucht der Senior-Partner Unterrichtsversuche und bespricht mit den Praktikanten deren Verlauf, ohne in den fachlichen Bereich einzugreifen. Zu Einzelgesprächen steht er jederzeit zur Verfügung. Im Abschlussgespräch (evtl. gemeinsam mit dem schulischen Betreuer) soll dem Praktikanten geholfen werden seine Eignung und Neigung für den Lehrerberuf realistisch einzuschätzen.

Meinungen von Praktikanten

Zum Abschluss des Praktikums werden die Praktikanten um eine Evaluation der durch den Senior-Partner erweiterten Betreuung gebeten. Diese zusätzliche Betreuung fanden 95% gut; sie hoben hervor, dass sie im Senior-Partner einen ständigen Ansprechpartner bei organisatorischen und auch persönlichen Fragen hatten und dadurch gelernt hätten das Tätigkeitsfeld eines Lehrers besser einzuschätzen. 88% würden es begrüßen, wenn auch über das Praktikum hinaus Gespräche mit Senior-Partnern möglich wären, um Ratschläge und Tipps von Praktikern zu erhalten.

Die Praktikanten können bei der Evaluation frei formulieren, was sie positiv fanden, was ihnen nicht gefallen hat und welche Angebote sie sich noch von Senior-Partnern wünschen würden.

•  „Ich wusste, dass mir bei Fragen jemand jederzeit weiterhilft.“

•  „Eine Supersache, die mir sehr gefallen hat. Sollte beibehalten werden.“

•  „Man hatte durchgehend einen Ansprechpartner mit genügend Zeit, da er nicht in den Unterricht eingebunden war.“

•  „Der Aufbau einer Unterrichtsstunde wurde ausführlich besprochen.“

•  „Ich konnte meine Tafelanschrift üben und erhielt Verbesserungsvorschläge.“

•  „Ich glaube, dass wir bei den Gesprächen ein realistisches Lehrerbild aufgezeigt erhielten.“

•  „Die offenen Gesprächsrunden brachten viele interessante Anregungen.“

•  „Wir führten gute und lange Gespräche über Schüler-Lehrer-Probleme.“

•  „Der Senior-Partner hätte mich nicht ständig auf die notwendige Anzahl von Unterrichtsversuchen hinweisen müssen. Etwas viel Gängelung .“

•  „Die Informationen waren häufig zu subjektiv.“

•  „Ich hätte mir mehr Treffen mit dem Senior-Partner gewünscht.“

•  „Der Senior-Partner sollte auch an der Uni Einblicke in die Schulpraxis geben.“

Meinungen von Schulleitungen und Lehrkräften

•  „Organisatorische Angelegenheiten wurden zu einem großen Teil vom Senior-Partner erledigt.“

•  „Die Praktikanten waren auf ihren ersten Unterrichtsversuch besser vorbereitet.“

•  „Es wurden Themen genauer erörtert als es mir möglich gewesen wäre.“

•  „Diese ergänzende Betreuung brachte eine wesentliche Entlastung für die Schulleitung.“

•  „Das Verhalten der Praktikanten während der Hospitationen war insgesamt besser als früher.“

•  „Die Teilnahme des Senior-Partners an den Unterrichtsversuchen und deren Besprechung bedeuteten eine große Entlastung.“

Abschließende Bemerkungen

Dieses Projekt entspringt keinem Auftrag des Kultusministeriums, sondern ist eine Initiative „von unten“ und wird nur in Unterfranken durchgeführt. Es findet unter dem Schirm der Zentralstelle für Lehrerbildung und Bildungsforschung an der Universität Würzburg in engster Zusammenarbeit mit dem Praktikumsamt beim Ministerialbeauftragten statt. Die Leiterinnen der beiden Institutionen, Dr. Birgit Hoyer und Yvonne Neumeier, sind unermüdlich und ideenreich für die Organisation des Projektes und bei der Suche nach Referenten für die regelmäßigen Team-Besprechungen im ZfL tätig. Das Projekt konnte allerdings nur starten und durchgeführt werden, weil es in den Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Unterfranken, Johann Seitz und (ab 2010) Horst Karch, engagierte Befürworter und Unterstützer hat.

Das Projekt ist nicht nur für ehemalige Mitglieder der Schulleitung interessant, sondern für alle Lehrkräfte, die mit der Betreuung von Praktikanten und/oder Referendaren beauftragt worden waren und die nach Beendigung ihrer aktiven Dienstzeit mit der Schule und jungen Menschen, die ihnen als Pädagogen nachfolgen, noch etwas in Kontakt bleiben wollen. Der zeitliche Aufwand ist zu überschauen und selbst zu steuern. Die Tätigkeit als Senior-Partner in diesem Projekt ist ehrenamtlich, allerdings können Reisekosten zu den Einsatzschulen und den Besprechungen in Würzburg über den Ministerialbeauftragten abgerechnet werden.

Interessenten können sich wegen weiterer Informationen jederzeit wenden an die

Leiterin des Praktikumsamtes, BRin Yvonne Neumeier (neumeier@mbrs-ufr.de, Tel. 0931 4534511) oder an RSD a.D. Wolfram Milde (w.milde@t-online.de, Tel. 09324 3967).

 


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